IVU.news – Systeme für lebendige Städte
Es ist ein großes Versprechen: Alle Verkehrsangebote in einer App, nahtlos miteinander verknüpft, vollständig aufeinander abgestimmt. Bus, Bahn, Taxi, RidePooling und RideSharing, E-Scooter, Car- oder BikeSharing – die App schlägt den Kunden vor, wie sie am besten ans Ziel kommen. Mobility as a Service ist die Zukunft des Verkehrs. Voraussetzung sind integrierte Softwaresysteme.

In Berlin hat die Zukunft bereits begonnen. Jelbi – abgeleitet aus der Berliner Aussprache von „gelb“ – vereint eine ganze Reihe unterschiedlicher Mobilitätsdienste unter einem Dach. Kunden wählen ein Ziel, die App berechnet die aktuell beste Route und zeigt dann die verschiedenen Angebote und deren Preise an. Die Idee: Menschen sollen zum Umstieg vom eigenen Auto bewegt werden, um die immer dichter bewohnten und befahrenen Städte vom Individualverkehr zu entlasten, mehr Lebensqualität zu schaffen und den Klimaschutz zu verbessern.
Betrieben wird Jelbi von der BVG. Sie möchte es damit so einfach wie möglich machen, alternative Verkehrsangebote zu nutzen: „Mit Jelbi sind wir ein zentraler Teil der Mobilitätswende, indem wir unseren herausragenden Nahverkehr mit Bussen und Bahnen um ein weiteres Element ergänzen“, sagte Sigrid Nikutta, die damalige Vorstandsvorsitzende der BVG, zum Start der Pilotphase im Juni 2019.
Serviceanbieter Verkehrsunternehmen
Dass mit der BVG ein öffentliches Verkehrsunternehmen private Anbieter mit ins Boot holt, ist kein Zufall. Als Herz des Berliner Nahverkehrs betreibt sie bereits Busse, Straßenbahnen, Fähren und die U-Bahn. Seit Ende 2018 zählt außerdem das RidePooling-Angebot BerlKönig dazu, das in Zusammenarbeit mit dem Startup ViaVan entstanden ist. Über 500.000 Abonnement-Kunden versetzen die BVG zudem in eine einzigartige Position, um das Interesse an neuen Mobilitätsdiensten zu wecken.
Auch in anderen Städten gehen die Verkehrsunternehmen voran. In Hamburg kooperiert die Hochbahn seit 2017 mit dem RidePooling-Dienst Moia von VW. Die Aachener ASEAG startete schon 2013 das Projekt Mobility Broker, um verschiedene Angebote zu integrieren. Die Deutsche Bahn ist mit den Marken Flinkster und Call a Bike selbst auf dem Markt aktiv und hält eine Mehrheitsbeteiligung am RidePooling-Anbieter CleverShuttle.Viele weitere Verkehrsunternehmen bieten darüber hinaus Vergünstigungen bei Car- oder BikeSharing-Anbietern an oder betreiben diese selbst.
Allen gemeinsam ist der Gedanke, Fahrgäste sicher, schnell und einfach an ihr Ziel zu bringen. Dort, wo die Abdeckung des öffentlichen Verkehrs dünn ist, können alternative Angebote zudem helfen, die „letzte Meile“ von der Haltestelle zum Kunden zu überbrücken. In den Innenstädten stellen sie eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden Verkehrssystemen dar. So werden daher in Zukunft auch autonome Fahrzeuge ein ganz normaler Bestandteil des integrierten Mobilitätsangebots des öffentlichen Verkehrs werden, wie es beispielsweise die Stadt Monheim bereits testet.
Integrierte Systemlandschaft
Doch um Kunden eine durchgängige Mobility-as-a-Service-Landschaft aus einem Guss anbieten zu können, sind noch einige technische Hürden zu meistern: „Verschiedene Angebote in einer App zu vereinen, ist nur eine Seite der Medaille“, erklärt Dr. Claus Dohmen, Leiter Forschung und Lehre bei der IVU. „Wichtig ist vor allem, was im Hintergrund passiert. Daten aus ganz unterschiedlichen Bereichen müssen vernetzt und nutzbar gemacht werden, wir brauchen neue, standardisierte Schnittstellen, müssen intelligente Routing- und Prognosealgorithmen entwickeln.“ Nur so kann es gelingen, ein möglichst nahtloses Nutzererlebnis zu schaffen.
Beispiel Anschlusssicherung: Nutzt ein Kunde einen RidePooling-Service oder in Zukunft einen autonomen Shuttle, um in einer schwach frequentierten Region den nächsten Linienbus zu erreichen, muss der Routingalgorithmus die beste Strecke errechnen, um gegebenenfalls weitere Fahrgäste einzusammeln und dennoch rechtzeitig an der Haltestelle anzukommen. Gleichzeitig muss der Fahrer des Linienbusses über die voraussichtliche Ankunft informiert werden, damit er bei Bedarf warten kann. Mit zunehmender Streckenlänge und zusätzlichen Umstiegen nimmt die Komplexität weiter zu. Wie genau das in Zukunft funktionieren kann, testet die IVU daher zurzeit in den Forschungsprojekten U-hoch-3 und MaaS L.A.B.S.
Auch die Planung muss sich anpassen. Je mehr Sammeltaxis, Shuttles oder Rufbusse unterwegs sind, desto mehr gilt es, flexibel auf Nachfrageschwankungen zu reagieren und zum Beispiel kurzfristig zusätzliche Fahrzeuge und – wenn diese nicht gerade autonom unterwegs sind – zusätzliches Personal einzusetzen.
Intelligente Voraussagen
Verkehrsunternehmen werden in Zukunft viel dynamischer handeln als bisher“, sagt Dr. Dohmen. „Eine wichtige Voraussetzung für MaaS sind daher ausgefeilte Prognosemodelle, die es Verkehrsunternehmen erleichtern, ihr Angebot an die tatsächliche Nachfrage anzupassen.“
Hierfür benötigt es ausgefeilte Algorithmen: Dank Machine Learning können Planungssysteme wie etwa die Tools der IVU.suite damit schon bald auf Basis der gefahrenen Fahrten detailliert voraussagen, wie viele Fahrten und Fahrgäste etwa an einem regnerischen Mittwochabend zu erwarten sind. Schon heute errechnen IVU.fleet und IVU.realtime aus den Echtzeitdaten der Linienbusse die erwarteten Ankunfts- und Abfahrtszeiten, um Anschlüsse zu sichern und Fahrgäste zu informieren. Und IVU.fleet unterstützt die Leitstellenmitarbeiter mit Informationen zur voraussichtlichen Reichweite von Elektrobussen und erleichtert so dispositive Maßnahmen.
IVU-Kunden sind damit schon heute gut für die Mobilität von morgen aufgestellt. Das integrierte System macht es Verkehrsunternehmen leicht, Informationen durchgängig zu verwalten, auszutauschen und zu analysieren, um ihren Kunden jederzeit das beste und modernste Verkehrsangebot bereitzustellen – und sie damit dazu bewegen, das eigene Auto stehenzulassen oder zu teilen.
Dieser Artikel entstammt der IVU News 1/2020. Laden Sie die gesamte Ausgabe als PDF herunter:
> IVU News 1/2020
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